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Kaffee und Kultur: Sonntagsöffnung mit ausgewähltem Themenschwerpunkt

18. 02. 2024

Familie Prager in Ottensoos


Der Hopfenhändler Heinrich (hebräischer Name Chaim) Prager und seine Frau und Kusine Helene stifteten 1884 den hier gezeigten Tora-Vorhang aus violett-rotem Samt für die Synagoge in Ottensoos. Der unmittelbare Anlass für die Stiftung ist unbekannt, vielleicht beging das Ehepaar in diesem Jahr seine Silberhochzeit.


Die Pragers gehörten zu einer der alteingesessenen und weitverzweigten jüdischen Familien in Ottensoos. Laut einer nicht belegbaren mündlichen Familienüberlieferung kamen die ersten Vorfahren bereits im frühen 16. Jahrhundert als Folge der Vertreibung der Juden aus Spanien nach Ottensoos. Die verschiedenen Familienzweige, alle Nachfahren von Heinrich und Helenes Großvater Moises Simon (geb. 1761 in Ottenssos) und seiner Frau Vögele, verdienten ihren Lebensunterhalt als Händler, mit den Schwerpunkten auf Landprodukten, Hopfen und Schnittwaren. Heinrichs Bruder Hermann Prager war Vorsitzender der
jüdischen Gemeinde, Mitglied im Gesangsverein sowie Gründungsmitglied und Vorsitzender der örtlichen Feuerwehr.


Das Ehepaar Prager hatte fünf Kinder: Samuel, Ludwig, Paul, Moritz und Amalie. Nur die Tochter Amalie blieb Zeit ihres Lebens unverheiratet in Ottensoos. Das Schicksal der vier Prager-Brüder und ihrer Nachkommen steht beispielhaft für deutsch-jüdische Lebenslinien im 19. und 20. Jahrhundert: Umzug in die
Stadt, Aufstieg ins wohlhabende Bürgertum, Verfolgung, Auswanderung, Ermordung während des Nationalsozialismus und Neuanfang im Zufluchtsland. 

 

Samuel Prager heiratete nach Würzburg, wo er einen Zigarren- und Speisefettgroßhandel gründete. Ludwig Prager war als Kaufmann in Fürth u.a. für die Bleistiftfabrik Illfelder tätig. Beide Brüder starben kinderlos. Paul Prager, Hopfenhändler wie sein Vater, ließ sich in Nürnberg nieder. Seine Tochter Johanna emigrierte 1938 mit ihrem Mann Karl Hans Kraus in die USA, wo sie 1969 ohne Nachkommen verstarb. 

 

Moritz Prager lebte als wohlhabender Asphalthändler in Frankfurt/Main. Zusammen mit seiner Frau Selma wurde er 1941 nach Kaunas deportiert und ermordet. Die Nationalsozialisten ermordeten seine Tochter Henny und ihren Mann Friedrich Lehr 1942 in Lodz. Ihre Töchter Lore und Lise flüchteten in die USA. Moritz‘ Sohn Martin emigrierte mit seiner Frau Ursel und den Töchtern Marianne und Ruth nach Brasilien.