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Geschichte der Juden in Böhmen und Mähren

09. 11. 2024 von - Uhr

Der Holocaust und Antisemitismus sind ein oft diskutiertes Thema in den jüdischen Gemeinden Tschechiens, gleichzeitig wird jedoch über bedeutende Persönlichkeiten, Kultur, Soziales und vieles mehr geredet. Das Bild der Opfer ist nur ein unvollständiges Bild der Juden. Es ist wichtig eine Vorstellung zu haben, wie früher und heute das jüdische Leben mit seinen Traditionen, mit seiner Ethik oder Philosophie gewesen ist. Dr. Tomas Kraus, Vorstandsmitglied der Föderation der jüdischen Gemeinden in Tschechien hält darüber einen Vortrag in Ottensoos.

Anfang der 90er Jahre gab es große Diskussionen in den jüdischen Gemeinden Tschechiens. Was sind wir eigentlich? Tschechen jüdischen Glaubens oder Juden als eine Nationalminderheit? Tomas Kraus fasst die Frage zusammen und sagt:

"Ich sage immer, wir sind alles und wir sollten den Leuten die Wahl geben, wie sie sich fühlen. Sie sollen sich identifizieren je nach Glauben, der persönlichen Erfahrung und je nach dem, was die Leute interessiert."

Vor dem Krieg lebten auf dem Gebiet von Tschechien und Mähren ca. 120.000 Juden. Von den ca. 10 Prozent Überlebenden sowie den sich nach dem Krieg neu angesiedelten Juden wanderten Ende der 40er Jahre und nach dem Prager Frühling 1968 jeweils viele von Ihnen in großen Emigrationswellen aus. Mit Beginn der Arbeit der Föderation der jüdischen Gemeinden 1990 gab es in den zehn jüdischen Gemeinden in Tschechien ca. 3000 Juden, was heute nicht anders ist. Neben den registrierten Mitgliedern der Gemeinden gibt es aber auch noch geschätzte 15.000 bis 20.000 Personen, die der jüdischen Gemeinschaft angehören.

Die Föderation fungiert als Dachorgan für die jüdischen Gemeinden und alle anderen jüdischen Gruppen und Institutionen der Tschechischen Republik. Hauptaufgaben sind sowohl die Wiedergutmachung des Unrechtes der Holocaustopfer und von Arisierungen, als auch das Schaffen von Sozialprogrammen für ältere Personen und von Bildungsprogrammen sowie der Erhalt von Synagogen, Denkmälern und Friedhöfen.

Auf die Frage, ob es Probleme bei der Integration der Juden in der Tschechischen Republik gebe, spricht Kraus eher vom Gegenteil; vor Ort gebe es Probleme wegen der fortschreitenden Assimilation. Aus diesem Grund wurden von der Föderation verschiedene Bildungsprogramme geschaffen. Das größte findet in Prag statt, im Bildungs- und Kulturzentrum des jüdischen Museums, welches jeden Tag Angebote für die Öffentlichkeit bereit hält. Auch hat die hiesige jüdische Gemeinde einen Kindergarten, eine Grundschule und ein Gymnasium eingerichtet, um die ca. 200 Kinder zu betreuen. Ferner werden in Prag bis zu 5 unterschiedliche jüdische Gottesdienste pro Woche abgehalten. Auf die abschließende Frage, wie mit der jüdischen Vergangenheit in Tschechien umgegangen wird, antwortete uns Tomas Kraus:

"Mit der Vergangenheit ist das nicht einfach. Wir, die damit betroffen sind, wissen um die Vergangenheit. Wir haben jetzt erfahren, dass leider die junge Generation darüber sehr wenig weiß. Unser Ziel ist deswegen, diese Geschichte in die Materialien in der Schule zu bringen. Ein sehr gutes Projekt läuft gerade in der Gedenkstätte Theresienstadt, wo die Geschichte in Seminarform für die Lehrer unterrichtet wird. Und die Lehrer haben die Möglichkeit, das in den Schulen zu unterrichten."

Dr. Tomas Kraus

Direktor – Institut der Theresienstdtër-Initiative

Langjähriger Geschäftsführer der Föderation der jüdischen Gemeinden in der Tschechischen Republik (1991 – 2022)

Vertreter des American Jewish Committee in der Tschechischen Republik

 

Geboren 1954 in Prag, beide Eltern Holocaust-Überlebende.

Schon in jungen Jahren engagierte er sich im kulturellen Leben der Hauptstadt, war seit den 70er Jahren in der Jazz-Sektion des Musikerverbandes aktiv und organisierte die Prager Jazztage und andere Musikfestivals; Nach seinem Abschluss an der juristischen Fakultät der Karlsuniversität begann er seine berufliche Laufbahn bei der Plattenfirma Supraphon, zunächst in der Auslandsabteilung, später als Leiter der Musikvideoabteilung; 1985-1990 bei Art Centrum, Agentur für kreative Künstler, Geschäftsführer der EXPO 86 in Vancouver, dann als Assistent des CEO des Unternehmens, seit 1988 Leiter der Vertriebsabteilung mit den Schwerpunkten Audiovision, Werbung, Ausstellungen und Architektur.

Seit 1991 Geschäftsführer der Föderation der jüdischen Gemeinden in der Tschechischen Republik (1991 – 2022), befasste sich insbesondere mit der Rückgabe jüdischen Eigentums und der Entschädigung von Holocaust- und NS-Opfern auf hoher nationaler und internationaler Ebene, sowie mit rechtlichen und organisatorischen Fragen.

Seit den 90er Jahren hat er unterrichtet an der New York University und anderen Bildungsprogrammen in Prag.

Autor, seit den 70er Jahren Artikel und Rezensionen für verschiedene Musikzeitschriften schreibend, bis heute regelmäßig für verschiedene Zeitschriften verfasst; Regelmäßiger Kommentator und Gast im tschechischen Fernsehen, im tschechischen Radio und anderen Rundfunksendern und Medien.

COB des Zentrums für Dokumentation NS-Raubkunst, langjähriges Mitglied des Tschechisch-Deutschen Diskussionsforums; gründete 2010 das European Shoah Legacy Institute (bis 2017); aktiv in der Gesellschaft der Christen und Juden, B 'nai B' rith Renaissance, Tschechischem Rat für Nazi-Opfer (bis 2009); Vice-Präsident emeritus des Welt- und Europäischen Jüdischen Kongresses, seit 2018 offizieller Vertreter des American Jewish Committee in der Tschechischen Republik.

 
Foto zur Veranstaltung

 

Veranstaltungsort

Ehemalige Synagoge Ottensoos

 

Veranstalter

Freundeskreis Ehemalige Synagoge e.V.